Montag, 17. August 2009

Gelbe Blume

Ich lag und überdachte meinen Fall. Meine Wange lehnte an den herbstfrischen Asphalt und die Nerven in der Haut meiner Hände vermittelten mir einen leichten, pochenden Schmerz in meinen Handflächen. Ich blinzelte die roten Ahornblätter an, die von rechts nach links fielen, bis sie auf meiner Augenhöhe einen natürlichen Teppich bildeten.
Während meine Fingerkuppen die Struktur des Bodens ertasteten, rekonstruierte ich die vergangenen Sekunden.
Ich war die Bachstraße lang gegangen, bei „Müchlers Bäckerei“ um die Ecke gebogen und habe einen kurzen Blick rüber zur kleinen Parkanlage auf der anderen Straßenseite geworfen. Eine gelbe Blume, deren Namen ich nie gekannt habe, blühte dort im blassen Schattenspiel einer Pappel.
Ich hatte gerade darüber nachdenken wollen, wie es wohl dazu kommt, dass eine solch zarte Blume, an diesen schon recht kalten Tagen, unsere Stadt immer noch mit ihrer Frische schmückt, doch ich kam nicht dazu.
Mein Pumps verhackte sich hinter dem Stängel einer alten Standlampe, wie man sie in Filmen über die DDR als stilvolle Dekoration im Hintergrund erwartet hätte. So kam es, dass das Bein, welches den nächsten Schritt hätte tun, besser gesagt mich vor dem Fall hätte bewahren sollen, denn Laufen ist nicht mehr als ein ständiges Fallen und rechtzeitiges Auffangen, mich eben vor diesem Fall nicht bewahrt, da es sich plötzlich hinter dem Körperschwerpunkt befunden hatte und in einer so kurzen Zeit unmöglich davor als Stütze hätte dienen können. Im nächsten Moment hatte ich bereits auf dem kühlen Asphalt gelegen und die roten Ahornblätter betrachtet.
Die Standlampe gehörte einer Gruppe von Sperrmüll vor einem Backsteinhaus an. Fünf Stühle, ein Esstisch, ein Beistelltisch, zwei Regale, ein Sessel – führende Möbelhersteller hätten sich gefreut. Im selben Moment kommt mir in den Sinn, wie fahrlässig der Besitzer dieser zu verschrottenden Wohnungseinrichtung gehandelt hatte. Wohl hatte er die Lampe direkt zwischen Sessel und Beistelltisch platziert, doch war ihm auch nicht nur einen Moment in den Sinn gekommen, welche Folgen es haben könnte, wenn diese Lampe ihre Standfestigkeit verlieren würde. Eine Folge war, dass ich nun hier auf den Boden gefallen war und wahrscheinlich eine Sekunde zu lang auf dem Asphalt lag, sodass es bei einem Vorbeigehenden ein kleines Fragezeichen auf die Stirn zaubern könnte. Doch die nächste Briese würde es fortpusten und niemand würde sich auch nur daran erinnern, dass es einst dagewesen war.
Ich rappelte mich wieder auf, zupfte mir ein paar Blätter vom Mantel und verschwand hinter dem nächsten Straßenbogen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen